Rechenhilfen für spezielle Anwendungsgebiete
Für eine große Anzahl von Anwendungsbereichen, besonders in Industrie, Logistik, Handel und Verwaltung, wurden - und werden immer noch - spezielle Rechenhilfen hergestellt. Hier ging es nicht um Grundrechenarten, sondern bspw. um Zins-/Preisberechnungen oder die Auswahl passender Teile oder Maschinen-Einstellungen.
Es gibt Geräte mit diskreten Wertetabellen wie z.B. Datenschieber bzw. Tabellen mit mechanischer bzw. verstellbarer Ablesehilfe sowie analoge Geräte, bei denen sich Werte aus aufgetragenen Formeln wie bei Rechenschiebern/-scheiben oder graphisch aus Nomogrammen (*s.u.) ablesen lassen.
Unterteilt habe ich diese Geräte in Anwendungsgebiete, nicht in Gerätekategorien.
Anwendungsgebiete waren bspw. (fett: siehe Unterseiten links)
- Bank/Verwaltung/Buchhaltung: Zins-, Lohn-, Steuer-, Abgabenberechn.
- Bau: Statik und Berechnung von Stahlbeton
- Druckerei/Papier: Papierrechner, Vergrößerung...
- Elektro-/Elektronik: Kabeldurchmesser, Widerstand, Radiosignalstärke...
- Fotografie: Belichtungszeiten, Blendenwerte...
- Handel: Gewinn-, Preisberechnungen
- Holz/Forst: Volumenbest. aus Stammdicke, Ermittlung der Baumgröße
- Kalender: Anzahl der Kalendertage, ewiger Kalender
- Luftfahrt/Flugverkehr: Flugstreckenberechnung, Treibstoffverbrauch
- Medizin/Biologie: BMI, Bio-Rhythmus, Alkoholrechner
- Metall: Metallbe- und -verarbeitung, Gewicht
- Militär: Dosisberechnung nach Atombombenexplosion, Flugbahn-
berechnung von Geschossen
- Musik: Berechnung von Harmonien+Akkorden
- Post+Telekommunikation: Kosten für Dienstleistungen
- Schiffsverkehr/Gezeiten: Bestimmung der Position, Gezeiten
- Schule: stat. Auswertung der Noten
- Straßenverkehr (Fahrzeuge): Fahrzeugleistung, Geschwindigkeit
- Umrechnung: amerik.+brit. Einheiten in internat. Standardeinheiten SI
- Vermessung: Winkelfunktionen, Sonnenstand...
- Währungsrechner
- Zinsen+Prozente
u.v.a.
*Nach Willers (1957) sind Nomogramme graphische Tabellen, in denen irgend ein funktionaler Zusammenhang zwischen drei oder auch mehr Variablen so dargestellt ist, daß man möglichst bequem und möglichst genau für gegebene Werte einer Gruppe der Variablen zugehörige Werte einer anderen entnehmen kann. Es gibt eine große Anzahl an Anwendungsfeldern (siehe auch Wikipedia und Rechnerlexikon).
Im folgenden Beispiele aus Prospekten der Firmen IWA (1983), die noch heute solche Rechengeräte herstellt, und M.H. Mear & Co.:
Abb.: Auszug aus IWA-Prospekt sowie Preisliste von 1983
Abb.: Auszug aus ISI-Prospekt (Nordamerikan. Verbtriebsfirma für Fearns and Mear Circular Calculators) von Ende 1960er
Abb.: Prospekt von M.H. Mear & Co. von 12/1963
das folgende ist noch nicht einer eigenen Kategorie zugeordnet
Schule:
REED-O-GRAPH Teacher Calculator
vertrieben und konstruiert von Malcolm H. Rees, Auburn, New York, USA
25,2x25,2 cm; 301 gr.; aus Hartpappe
produziert ab 1943 bis 1950er (copyright am 02.02.1943 eingetragen)
Beworben u.a. 1951 in School Supplies and Equipment (s. Abb. 6)
Preis: 3,50 $
Mit diesem Rechner kann der Durchschnitt der Punktzahlen aus Klassenarbeiten (Werte 0-100) aus 4 bis 20 Bewertungen abgelesen werden. Einfach die Punktzahlen nacheinander per Stift mit dem großem Rad eingeben und dann in der Zeile mit der Anzahl der eingegebenen Werte den Durchschnitt ablesen. Es können immer nur auf 5 gerundete Werte eingegeben werden, was gemäß Anleitung aber nur einen kleinen compensative error ausmachen würde. Ich hoffe, dass zumindest Mathe-Lehrer das auch ohne diese Rechenhilfe berechnen konnten.
Vorher gab es bereits den aus 2 konzentrischen Scheiben bestehenden REED-O-GRAM (s.Abb.6).
Vergleiche mit dem Austin Grade Calculator - Average Finder, der für den gleichen Einsatzbereich gedacht ist.
Vermessungswesen:
Apfelbecks Trigonometrischer Universal-Schnellmess-Rechenschieber
bezeichnet mit Trigonometrischer Universal-Schnellmess-Rechenschieber - Zeichen- Massen-
Reductions- und Grundwertbestimmungs- Sonnenzeit- u. Telegrafen-Apparat - construirt von Eduard Apfelbeck, Forst
Ingenieur, Wien - Grundwerth u. wirkliche Tangenten Längen im Decim. Mass für alle Länder u. Grade
20x14x1 cm, 47 gr.; ca. 1880/90
(die Dicke ergibt sich aus der Wasserwaagen-Linse)
Kompakte Multifunktionsskala für jede Menge Anwendungen (s.o. Bezeichnung und s.u. Link zur Anleitung). Sie vereinigt gemäß Apfelbeck
nicht weniger als 200 geometrische, mathemat. physikalische u. grafische Gradmess- et Registrir-Instrumente u. Wa[a]gen in sich.
Inkl. Wasserwaage, auch für die Zeitgleichungs-Tafel für die Sonnen-Secundenuhr. Hat natürlich auch ein Lineal, Reduktions-Maßstab und Winkelmesser.
Link: Anleitung
Dr. Grünert's Pythagoras-Rechentafel
Rechentafel aus Metall, beklebt mit Skala, sowie kleinere Folie als Schieber, zur Berechnung von c = Wurzel aus (a²+b²), allgemein bekannt als Pythagoras-Formel. In Schutzhülle mit Anleitung.
hergestellt von Zeichen- und Meßgerätefabrik Carl Weiland, Liebenwerda
29,3x20 cm (Tafel) und 15,2x9,3 cm (Schieber-Folie); 447 gr. mit, 340 gr. ohne Schutzhülle; Preis: 4,50 ohne, 5,50 mit "Futteral"
produziert um 1910
24 Skalen à 26,5 cm, d.h. 6,36 m Skalenlänge!
Mit ihrer Hilfe konnten Vermessungsbeamte unterwegs schnell und einfach die Kathete oder Hypothenuse eines rechtwinkligen Dreiecks bestimmen. Dr. Grünert hat für die "outdoor"-Anwendung an alles gedacht: passt in die Feldmappe, wetterfest dank Lackierung etc.
Dr. Artur Grünert (*1882) hat 1914 das Buch "Tafeln zur Berechnung der Koordinaten von Polygon- und Kleinpunkten" herausgegeben und 1907 über die "Berechnung der Höhe aus den 3 Seiten eines Dreiecks" einen Beitrag in der Zeitschrift für Vermessungswesen geschrieben. Seine Arbeiten befassten sich ansonsten primär mit der Landwirtschaft.
Die Fa. Zeichen- und Meßgerätefabrik Carl Weiland hatte 1910 rund 200 Mitarbeiter. Carl Weiland war außerdem Königliche Kommissionsrat und Bauunternehmer. In Liebenwerda war auch die Fa. Reiss ansässig.
Es gibt eine weitere Dr. Grünert's Pythagoras-Rechentafel, "nachbearbeitet und herausgegeben von Friedrich Herrmann in Schleswig", die bspw. in der Österr. Zeitschrift für Vermessungswesen Nr. 9 / 1933 beschrieben wurde. Da mit "D&P" versehen, wohl von Dennert und Pape hergestellt.
Auch gab es für den gleichen Rechenzweck einen "Py-Lo"-Rechenschieber.